Tierversuchsstatistik: Tierschutz fordert Ausstiegsplan für belastende Versuche
MEDIENMITTEILUNG • 14. September 2023
Heute veröffentlichte das zuständige Bundesamt die Tierversuchsstatistik 2022. Die Zahlen der in Versuchen eingesetzten Tiere sind erneut angestiegen, der Anteil schwer belastender Versuche ebenso. Dies, obwohl der Bund in die Suche nach Alternativen investiert. Tierschutzorganisationen sehen dringenden Handlungsbedarf. Die bisherigen Ansätze seien zu wenig ambitioniert.
585’991 Tiere wurden im Jahr 2022 in Tierversuchen eingesetzt – zwei Prozent mehr als im Vorjahr. Mehr als die Hälfte von ihnen wurde laut der BLV-Statistik einer Belastung ausgesetzt. Die Zahl der Tiere in schwerstbelastenden Versuchen stieg im Vergleich zum Vorjahr sogar um 5 Prozent an. Doch auch Versuche mit dem «Schweregrad 0» können für die Tiere tödlich ausgehen. Wenn sie nämlich im Rahmen des Versuchs nach geltendem Tierschutzrecht getötet werden, gilt dies nicht als Belastung. Zudem wurden 2022 mehr als doppelt so viele Tiere für Forschungszwecke gezüchtet oder importiert, als in Versuchen eingesetzt wurden: rund 1,25 Millionen. Sie werden laut Bericht entweder für die Zucht weiterverwendet oder getötet.
Seit Jahren bewegen sich die Zahlen der in Versuchen eingesetzten Tiere im Bereich um 500’000 bis 600’000 Tiere. Dies, obwohl der Bund die Zahlen eigentlich senken möchte. Dafür unterhält der Bund ein Kompetenzzentrum für die sogenannten 3R («Replace, Reduce, Refine») und finanziert das Nationale Forschungsprogramm 79 «Advancing 3R». Auf diese Bemühungen verweist auch das BLV in seiner Medienmitteilung.
Im Tierschutz sieht man diese Ansätze jedoch kritisch. «Dass die Zahlen nicht zurückgehen, zeigt, dass die aktuelle Tierversuchspolitik fehlgeleitet ist», meint Nicolas Eichenberger, Vorstandsmitglied beim Verein Animal Rights Switzerland. «Es fehlt jegliche Strategie, wie man die Zahlen senken kann. Dafür bräuchte es klare Zielvorgaben und Massnahmenpakete, ähnlich wie bei den Treibhausgasemissionen.»
Die Forderung von Tierschutz- und Forschungsorganisationen: Ein Ausstiegsplan aus belastenden Tierversuchen. Die Petition «Forschungsplatz Schweiz sichern – ohne Tierleid» wurde diesen Sommer bereits über 15’000 Mal unterzeichnet. «Eine zielgerichtete Forschungspolitik ist dringend nötig, um neuen tierversuchsfreien Methoden zum Durchbruch zu verhelfen», sagt Stefan Kunz, Mitarbeiter der Stiftung Animalfree Research. «Dies käme sowohl den Tieren und der menschlichen Gesundheit als auch dem Innovations- und Forschungsstandort Schweiz zugute.»
Im Kern der Petition steht die Forderung, dass der Bund sich verbindlich auf einen Ausstieg aus belastenden Tierversuchen festlegt. Die Erarbeitung des entsprechenden Plans kann über eine Arbeitsgruppe erfolgen, die die einzelnen Schritte mit Hochschulen, Industrie, Tierschutz und Politik koordiniert. Andere Länder gehen bereits ähnliche Wege – so planen die Amerikanische Umweltbehörde EPA und die Europäische Union den Ausstieg aus gesetzlich vorgeschriebenen Tierversuchen, etwa zur Messung der Giftigkeit neuer Chemikalien.
Die Forderung nach einer klaren Strategie für die Abkehr vom Tierversuch wird auch von juristischer Seite gestützt: «Nach Schweizer Recht sind Tiere keine Sachen, sondern schützenswerte Lebewesen mit eigener Würde. Aufgrund der in der Verfassung festgelegten Staatsziele ist der Bund verpflichtet, auf einen möglichst schnellen Ausstieg aus belastenden Tierversuchen hinzuwirken», sagt Andreas Rüttimann, rechtswissenschaftlicher Mitarbeiter der Stiftung für das Tier im Recht (TIR).
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Nicolas Eichenberger
Vorstandsmitglied Animal Rights Switzerland